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Helmern Haus Nr. 8
heute: abgerissen, um: Dalheimer Straße, 33181 Bad Wünnenberg
→ siehe auch Haus Nr. 8 neu, vulgo Kösteronkel
Schwäns
vulgo Scholisen
Nachfolger: Agethen, Werneke, Günter, Meyer, Fromme, Diermann
Geschichte
Das ganz kleine Haus mit der Nr. 8 stand ursprünglich an der Dalheimer Straße. Werneke übernahm es von Johannes Agethen, Nr. 55 (Allegönthers). Der Mann war Nachtwächter. Er öffnete nachts sein Fenster und blies in sein Horn. Später wurde ihm das Horn gestohlen. Engelbertus Günter (* 1729, † 1763) war Scholisen genannt. Seine Nachfolger waren Joannes Hermannus Meyer (bl. 1763), Schneider und Taglöhner Franciscus Werneken (* 1759, † 1810) aus Meerhof, Taglöhner Heinrich Werneken (* 1797, † 1844) und Ackerwirt, Tagelöhner und Handelsmann Franz Werneke (* 1834, † 1892). Im Jahr 1883 zieht die Familie Werneke in das Haus Nr. 22 (Ölkers) um. In das Haus hier ziehen Eheleute Martin und Elisabeth Fromme ein. Nachtwärter, Stellmacher und Ackerwirt Martin Fromme (* 1855, † 1940) aus Dekers Haus war der letzte Bewohner. 1929 wurde es vom Nachbar Josef Diermann (Jeusel) aufgekauft. Danach wurde das Haus nicht mehr bewohnt, es stand leer und wurde im Jahr 1930 vom Feuer zerstört.
Die Helmernsche Steuerrevolte
oder: Die Versteigerung der Nähmaschine
In diesem Haus hier hat sich eine Episode der berühmten Helmernschen Steuerrevolte ereignet. Als im Jahr 1923 die hiesigen Steuerpflichtigen sich weigerten, die Sondersteuer namens Rhein-Ruhrabgabe zu bezahlen, kamen die Finanzbeamten ins Dorf zur Beitreibung der Steuergelder. Der Erfolg des Fiskus fiel äußerst mickrig aus. Nur 15 Haushalte waren bereit zu zahlen, alle anderen blieben stur. Über 100 Haushaltspfändungen wurden angeordnet. Die Versteigerung sollte am 21. Februar 1924 stattfinden. Als es soweit war, erschien der Finanzbeamte, in wehrhafter Begleitung der preußischen Landgendarmerie.
Gleich am Ortseingang wartete aber eine unangenehme Überraschung auf sie. Ein Spottgedicht hing am Baum, eine Kanonenattrappe war auf sie gerichtet. Unerschrocken stießen Finanz- und Polizeibeamten im Dorf vor und drangen gewaltsam in das Haus Nr. 8 ein, wo sie eine Nähmaschine in Beschlag nahmen, und alsdann die Versteigerungsbedingungen vorlasen. Der alte Martin Fromme hat sich das nicht gefallen lassen - er nahm gleich seinen Besen in die Hand. Inzwischen hatte sich das ganze Dorf vor dem Haus versammelt, und dann gings auf einmal richtig los! Statt der öffentlichen Versteigerung, stürmten hunderte wütende Helmernsche auf die Beamten ein. „Kummt olle rin!“ und „Haut sie!“ riefen sie johlend. Sie verprügelten den armen Steuer-Assistenten in den Nacken, und verpassten dem stolzen Oberlandjäger einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten - gut so! - bis die frechen Eindringlinge sich in die Flucht geschlagen geben mussten. Weg waren sie! Dieser Aufstand war nicht nur im Königreich Westfalen einmalig, sondern auch im ganzen Norddeutschen Bund noch nie vorgekommen. Die Versteigerung augenblicklich abgebrochen, die Eindringlinge aus dem Dorf verjagt!
Aua, aua, aua! Das musste Folgen haben. Meinolf Fromme und seine Schwester Katharina wurden wegen Anführertums einer öffentlichen Zusammenrottung zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe, mehrere andere Dorfbewohner zu einer etwas leichteren aber ähnlichen Strafe verurteilt. Schließlich ist aber keiner ins Gefängnis gekommen, die Strafen wurden auf Bewährung ausgesetzt.
Der Nachtwächterdienst
Martin Fromme war seinerzeit nicht nur Stellmacher und Ackerwirt, er war auch Nachtwächter. Als Nachtwächter in Helmern musste man damals die Stunden zum Blasen so innehalten, dass jede Stunde geblasen wurde. Und zwar die Wintermonate von 9 Uhr abends bis 3 Uhr morgens, und die Sommermonate von 10 Uhr abends bis 2 Uhr morgens. Außerdem musste er die Polizeisperrstunden blasen, so dass niemand sie ohne einen besonderen Grund überschreitet, und auch den nächtlichen Straßenlärm oder sonstige Störung vermeidet, weil sonst gesetzliche Strafe drohte.
Ansonsten war der Nachtwächterdienst auch mit dem Schweinehirtendienst verbunden, d.h. der Nachtwächter war für einen kleinen Nebenlohn sowieso auch noch für die alltägliche Ausführung der Schweine der Dorfbewohner in den Wald zuständig, und am Abend hatte er sie wieder heile zu ihren Besitzern zurückzubringen.
Dieser Job wurde damals jedes Jahr wenigstfordernd versteigert, und es gab viele viele Dorfmänner, die sich darauf bewarben. Und wer die anderen unterbot, bekam den Job. Toller Job! Tags über arbeiten, und nachts jede Stunde aufstehen und aus dem Fenster ins Horn blasen!
Karten
TK 25 1837 Karte
TK 25 1922 Karte
TK 25 2000 Karte
Karte Google Maps 2020
Dokumente
Kreis Büren - Gemarkung Helmern 1920
Kreis Büren - Gemarkung Helmern 1959
Quellen
- Hubert Dahl und Dr. Konstantin Trachos: Die Hausnummern in Helmern, Nr, 1 - 163, Helmern, 2016, ISBN 978-3-00-053384-6
- Hubert Dahl und Dr. Konstantin Trachos: Häuser und Familien in Helmern - Nr. 1 bis Nr. 192, Darstellung der historischen Häuser Helmerns und deren ältesten Bewohner ab dem 17. Jahrhundert, Stadt- und Kreisarchiv Paderborn
- Johannes Kolsch: Helmern bis 2015, Impressionen aus 1000 Jahren, Helmern, 2015, ISBN 978-3-00-048477-3
- Anton Finke: Die Steuerrevolte des Jahres 1923 in Helmern, unveröffentlichte Erstausgabe, © Nachlass Anton Finke, Weststr. 16, 33181 Bad Wünnenberg-Helmern
- Landratsamt zu Büren, Acta Zusammenrottungen, Exzesse, Tumulte etc., 1901 - 1931, Abt. V, Fach 43, Nro 2, Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Bestellsignatur M 2 Büren / Kreisverwaltung Büren, Nr. 922
- Gemeinde Helmern, Protokollbuch der Gemeinde Helmern, 1836 - 1883, Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, Bestellsignatur AVM 7 165
Verweise
Auskünfte
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